Gebannt verfolgten die gehörlosen und hörbehinderten Menschen auf der Zuschauertribüne, wie der Grosse Rat die Motion zur Anerkennung der Gebärdensprache diskutierte. Die Sitzung vom Dienstag, 13. Juni 2023 ist als Video mit Übersetzung in Gebärdensprache verfügbar, siehe Link ganz unten. Das Wortprotokoll ist auch unter diesem Link veröffentlicht.
Die Motion von 2019 wurde am 4. März 2020 in ein Postulat umgewandelt. Seither hatte Regierungsrat Pierre Alain Schnegg den Auftrag, einen Postulatsbericht zu verfassen.
Drei Jahre mussten wir warten, bis der Postulatsbericht am 22. Februar 2023 erschien. Wir hatten einen umfassenden Bericht mit geeigneten Massnahmen und Vorschlägen erwartet. Schlussendlich erhielten wir einen dünnen Bericht, der zum Schluss kommt, es bestehe kein Handlungsbedarf.
Für Theo Juker, Präsident der IGGH, ist es absolut unverständlich, dass im Rahmen des Postulatsberichts bisher keine Anhörung der Gehörlosenorganisationen stattfand.
Der Grosse Rat überwies das Ratsgeschäft (Postulatsbericht) an die Gesundheits- und Sozialkommission (GSoK) zur Vorberatung. Die Mitglieder der GSoK konnten sich in der Vorberatung nicht auf eine gemeinsame Position einigen, sondern stellten zwei Anträge:
Kommissionsminderheit (Grossrätin Simone Leuenberger): Antrag zur Rückweisung des Postulates und Auftrag zur Überarbeitung des Berichtes unter Einbezug der Betroffenen und der entsprechenden Verbände.
Kommissionsmehrheit (Grossrätin Sibyl Eigenmann): Planungserklärung: Der Kanton Bern soll Massnahmen zur Verbesserung der Situation von gehörlosen und hörbehinderten Menschen erarbeiten. Dabei sind die Betroffenen und die entsprechenden Verbände aktiv einzubeziehen.
Bei der Abstimmung im Grossen Rat fand der Antrag der Kommissionsminderheit keine ausreichende Unterstützung. Immerhin hat der Grosse Rat die Planungserklärung angenommen. Der Kanton Bern ist nun in der Pflicht, Massnahmen zu erarbeiten und die IGGH einzubeziehen.
Abstimmungen
1. GSoK-Kommissionsminderheit, Rückweisungsantrag: 57 Ja, 91 Nein, 0 Enthaltungen
2. GSoK-Kommissionsmehrheit, Planungserklärung: 105 Ja, 37 Nein, 4 Enthaltungen
3. Schlussabstimmung: 122 Ja, 17 Nein, 7 Enthaltungen
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Einige Wortmeldungen lösten auf der Zuschauertribüne Kopfschütteln aus.
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Grossrätin Simone Leuenberger kritisierte den ungenügenden Postulatsbericht zur Anerkennung der Gebärdensprache. Links im Bild sass Mirjam Münger, gehörlose Reporterin ohne Barrieren.
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Die Debatte konnte auch live im Foyer des Rathauses verfolgt werden.
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Simone Leuenberger (EVP) lehnte den Postulatsbericht ab und forderte den aktiven Einbezug der Gehörlosenorganisationen.
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Besorgt verfolgten die Zuschauenden die oft realitätsferne Diskussion der Grossrät:innen.
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Sibyl Eigenmann (Die Mitte) erläuterte die Position der Kommissionsmehrheit, die eine Erarbeitung der Massnahmen unter Einbeziehung der Gehörlosenorganisationen forderte.
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Regierungsrat Pierre Alain Schnegg (SVP) sieht keinen Handlungsbedarf.
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Die Kommissionsminderheit beantragte eine Rückweisung des Postulatsberichtes zur Überarbeitung, und erhielt nur 57 Ja-Stimmen.
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Analyse der Abstimmung: Nur die SP, die Grünen und die EVP stimmten geschlossen mit 57 Ja-Stimmen für die Rückweisung des Postulatsberichts. Die Liberalen und die Konservativen waren mit 91 Nein-Stimmen dagegen. Es waren nicht alle 160 Grossrät:innen im Saal anwesend.
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Das PR-Team von links: Victor Senn, Öffentlichkeitsarbeit IGGH, Tanja Krebedünkel, Public Relations SGB-FSS, Brigitte Schökle, Geschäftsführerin IGGH. Nicht im Bild ist André Marty, Public Relations SGB-FSS.
Link zur Debatte vom 13. Juni 2023, Video mit Übersetzung in Gebärdensprache.
Weitere Informationen zur Motion, zum Postulatsbericht, zur Rückweisungsantrag, zur Planungserklärung (auf «Alle Details anzeigen» klicken)
Stellungnahme von Theo Juker, Präsident IGGH